Die aktuelle Debatte über den Ausbau des Autobahnnetzes polarisiert. Während einige den Ausbau als notwendige Lösung für Stau und Verkehrsprobleme sehen, fordern andere eine nachhaltigere, umweltfreundlichere Alternative. Die Gesellschaft ist bei diesem Thema in verschiedene Lager gespalten – zwischen jenen, die wirtschaftliches Wachstum und individuelle Mobilität priorisieren, und jenen, die Klimaschutz und langfristige Nachhaltigkeit ins Zentrum stellen.
Doch wie können wir Lösungen schaffen, die nicht nur einen Kompromiss zwischen gegensätzlichen Positionen darstellen, sondern eine echte Alternative bieten, die alle Bedürfnisse berücksichtigt? Die Vision „Jedem Dorf seinen See“ schlägt vor, Erholungsräume und Begegnungsstätten direkt vor Ort zu schaffen. Ein Netzwerk von künstlichen Seen in den Gemeinden könnte nicht nur zur Entspannung und Naherholung beitragen, sondern auch den Autoverkehr reduzieren, lokale Wertschöpfung fördern und ökologische Vorteile bringen. Dieses Konzept lädt dazu ein, neue Denkweisen zu entwickeln und kreative Wege zu finden, die Verkehrspolitik und Freizeitbedürfnisse der Schweiz nachhaltig zu gestalten.
Herausforderungen der heutigen Verkehrspolitik
Die Belastung durch Freizeit- und Pendlerverkehr
Ein beachtlicher Teil des Schweizer Verkehrsaufkommens entfällt auf den Freizeitverkehr, der etwa 40 % der gesamten Fahrten ausmacht. Menschen fahren in ihrer Freizeit oft weite Strecken, um zu Seen, in die Berge oder zu anderen Erholungszielen zu gelangen. Der Ausbau der Autobahnen soll dem zunehmenden Verkehr entgegenwirken und die Strassen entlasten, doch es ist fraglich, ob dieser Ansatz langfristig effektiv ist. Neue Strassenkapazitäten neigen dazu, mehr Verkehr anzuziehen (induzierte Nachfrage), was das Problem von Staus und Umweltbelastungen möglicherweise sogar verstärken könnte.
Umweltbelastungen durch Emissionen, Mikroplastik und Lärmbelastung
Der wachsende Verkehr verursacht erhebliche Umweltprobleme. Die Emissionen von CO₂ und Mikroplastik, die durch Reifenabrieb entstehen, belasten Luft und Wasser und schaden der Gesundheit der Bevölkerung. Auch die Lärmbelastung nimmt zu, was sich negativ auf die Lebensqualität auswirkt. Viele Menschen leiden unter den gesundheitlichen Auswirkungen von Verkehrslärm, und die Umwelt wird durch Schadstoffe zunehmend belastet. Der Autobahnausbau würde diese Problematik eher verstärken, da er mehr Fahrzeuge und damit mehr Emissionen mit sich bringt.
Kosten und Flächenverbrauch des geplanten Autobahnausbaus
Der Ausbau des Autobahnnetzes ist mit hohen Kosten und Flächenverbrauch verbunden. Die Investition von rund 5 Milliarden CHF würde in ein Projekt fliessen, dessen Nutzen vor allem auf die Entlastung von Strassen ausgelegt ist – eine Lösung, die langfristig begrenzt wirkt. Zusätzlich gehen wertvolle landwirtschaftliche Flächen verloren, was die lokale Versorgung und das Landschaftsbild beeinträchtigen könnte. Angesichts der steigenden Kosten für Klimaanpassungen und ökologische Sanierungen stellt sich die Frage, ob ein solcher Einsatz von Ressourcen tatsächlich im besten Interesse der Gesellschaft liegt.
Die Vision „Jedem Dorf seinen See“ – Ein gemeinsamer Raum für alle
Idee und Konzept: Seen als lokale Erholungs- und Begegnungsorte
Die Idee „Jedem Dorf seinen See“ ist ein alternativer Ansatz, der nicht nur der Verkehrsentlastung dient, sondern auch zur sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit beiträgt. Anstatt den Verkehr und die Freizeitmobilität auf entfernte Ziele zu konzentrieren, könnten künstliche Seen direkt in den Gemeinden geschaffen werden. Diese Seen würden nicht nur als Naherholungsgebiete dienen, sondern auch Treffpunkte für die Dorfgemeinschaft bieten, an denen sich Menschen jeden Alters und Hintergrunds begegnen und vernetzen können. Ein künstlicher See im Dorf wird zu einem lebendigen Ort, der das Gemeinschaftsgefühl stärkt und vielfältige Freizeitmöglichkeiten bietet.
Naherholung und Naturerlebnis vor Ort: Verringerung des Freizeitverkehrs
Ein lokaler See würde den Bedarf an weiten Anfahrtswegen zu Erholungsorten reduzieren und damit den Freizeitverkehr merklich verringern. Menschen hätten die Möglichkeit, Naherholung in ihrer unmittelbaren Umgebung zu geniessen, ohne lange Strecken mit dem Auto zurücklegen zu müssen. Die Seen bieten Raum für Aktivitäten wie Schwimmen, Kaltbaden, Picknicken oder einfaches Verweilen in der Natur. Diese Form der Naherholung ist nicht nur ressourcenschonend, sondern bietet auch ein naturnahes Erlebnis direkt vor der Haustür. Für die Bevölkerung entstehen so neue Freizeitangebote, die Stress abbauen und gleichzeitig zur ökologischen Entlastung beitragen.
Eine Schweiz voller Seen: Vernetzung durch Rad- und Wanderwege als Alternative zu Strassen
Die Vision geht über einzelne Seen hinaus und sieht ein landesweites Netzwerk künstlicher Seen vor, das durch Rad- und Wanderwege miteinander verbunden ist. Diese Wege könnten den Menschen eine attraktive, umweltfreundliche Alternative zu motorisierten Ausflügen bieten. Entlang dieser Strecken könnten Hofläden, Cafés und andere regionale Betriebe liegen, die lokale Produkte anbieten und die regionale Wirtschaft fördern. Ein solches Netz aus Seen und Wegen würde die Schweiz zu einem Modell für nachhaltigen Tourismus und regionale Wertschöpfung machen. Indem die Seen nicht nur als Naherholungsorte, sondern auch als Elemente einer vernetzten Freizeitlandschaft konzipiert werden, würde das Konzept „Jedem Dorf seinen See“ den Freizeitverkehr langfristig entlasten und eine nachhaltige Mobilitätskultur fördern.
Gesundheit und Wohlbefinden – Der See als ganzheitlicher Gesundheitsort
Psychische Gesundheit: Stressabbau und Förderung des Wohlbefindens durch naturnahe Erholung
Ein künstlicher See in jeder Gemeinde bietet nicht nur Erholung, sondern auch direkte gesundheitliche Vorteile. Regelmässiger Aufenthalt in der Natur reduziert nachweislich Stress, verbessert die mentale Gesundheit und stärkt das allgemeine Wohlbefinden. Ein See in der Nähe, der leicht zugänglich ist, ermöglicht es den Menschen, den Alltagsstress hinter sich zu lassen und Entspannung direkt vor der Haustür zu finden. Für viele Menschen könnte der See zu einem Ort der Ruhe und inneren Balance werden, was wiederum zu einer Reduzierung der durch Stress verursachten Krankheitskosten beiträgt.
Physische Gesundheit: Kaltbaden und Bewegung als Alltagsbestandteile
Seen laden zur Bewegung ein – sei es durch Schwimmen, Kaltbaden oder Wassersport. Besonders das Kaltbaden hat positive Effekte auf den Kreislauf, das Immunsystem und die psychische Gesundheit. Diese Form der naturnahen Erholung könnte zu einem regelmässigen Gesundheitsritual werden, das ohne aufwendige Planung in den Alltag integriert werden kann. Auch das Spazieren, Wandern und Radfahren zu den Seen fördert die physische Gesundheit und lädt alle Altersgruppen zu einer aktiveren Lebensweise ein.
Der See als sozialer Treffpunkt: Förderung von Gemeinschaft und Inklusion
Ein See ist ein idealer Ort, an dem Menschen zusammenkommen, Kontakte knüpfen und Gemeinschaft erleben. Hier können sich Menschen aller Altersgruppen und Hintergründe begegnen und austauschen – beim Picknicken, bei gemeinsamen Aktivitäten oder einfach beim Verweilen am Wasser. Ein künstlicher See im Dorf stärkt somit das Gemeinschaftsgefühl und fördert die soziale Inklusion. Soziale Isolation, die heute oft durch räumliche und zeitliche Entfernungen entsteht, kann durch einen nahen Treffpunkt verringert werden, der offen und zugänglich für alle ist. Der See wird damit zu einem lebendigen sozialen Raum, der das Miteinander in der Gemeinde fördert und soziale Bindungen stärkt.
Der See als kulturelles Zentrum und Raum für Gemeinschaft
Kulturelle Veranstaltungen und Treffpunkte: Konzerte, Feste und Vereinsleben am See
Der See könnte als kulturelles Herzstück der Gemeinde dienen und eine Bühne für Veranstaltungen und kulturelle Aktivitäten bieten. Von Konzerten und Theateraufführungen über Dorffeste bis hin zu Vereinsaktivitäten – der See schafft eine einzigartige Kulisse für gemeinschaftliche und kulturelle Erlebnisse. Insbesondere in der Schweiz, wo Dorfvereine wie Jungwacht, Blauring und Pfadi eine wichtige Rolle spielen, würde der See einen zusätzlichen Raum bieten, um Gruppenstunden, Zeltlager oder Outdoor-Aktivitäten zu veranstalten. Solche Veranstaltungen fördern nicht nur die kulturelle Vielfalt, sondern stärken auch das Gemeinschaftsgefühl und die Identität des Ortes.
Förderung der lokalen Identität und des Gemeinschaftsgefühls: Ein gemeinsamer Raum am See stärkt die Identifikation der Bewohner mit ihrem Ort. Durch regelmässige Treffen und Veranstaltungen entsteht ein starkes Gefühl der Verbundenheit, das weit über das individuelle Freizeitvergnügen hinausgeht. Die Erlebnisse und Erinnerungen, die am See entstehen, tragen zur Bildung einer gemeinsamen Identität bei und fördern das Verständnis für die Bedeutung gemeinschaftlicher und naturnaher Lebensräume. Der See wird zu einem Ort, der das soziale Gefüge stärkt und die Wertschätzung für die Natur und die eigene Heimatregion vertieft.
Umweltschutz und ökologische Funktionen der Seen
Hochwasserschutz und Wasserreservoirs für die Klimaanpassung
Ein Netzwerk künstlicher Seen könnte eine zentrale Rolle im Umgang mit den Herausforderungen des Klimawandels spielen. Die Seen würden als natürliche Retentionsräume fungieren, die überschüssiges Wasser bei starken Regenfällen aufnehmen und so den Abfluss in die Flüsse und Bäche kontrollieren könnten. Das würde die Hochwassergefahr in den betroffenen Gebieten deutlich verringern. Gleichzeitig könnten die Seen in Trockenperioden als Wasserreservoirs dienen, um die Versorgung zu sichern und der Landschaft Feuchtigkeit zu spenden. Diese multifunktionalen Wasserflächen stärken somit die ökologische Resilienz der Regionen und bieten eine natürliche Antwort auf die zunehmenden Extremwetterereignisse.
Förderung der Biodiversität: Naturnahe Lebensräume für Tiere und Pflanzen
Künstliche Seen, die naturnah gestaltet werden, bieten wertvolle Lebensräume für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten. Sie könnten Zugvögeln als Rastplätze, Amphibien als Laichgewässer und zahlreichen Insekten als Nahrungsquelle dienen. Auch für Fische und andere Wasserlebewesen würden diese neuen Seen neue Lebensräume schaffen. Durch die Förderung der Biodiversität tragen die Seen dazu bei, das ökologische Gleichgewicht zu stärken und bedrohten Arten einen Schutzraum zu bieten. Dies macht die künstlichen Seen zu einem wichtigen Bestandteil des Naturschutzes und zu wertvollen Biotopen innerhalb der Gemeinde.
Entlastung der natürlichen Seen und Schutz wertvoller Ökosysteme: Der Freizeitdruck auf die natürlichen Seen der Schweiz ist in den letzten Jahren gestiegen und belastet die sensiblen Ökosysteme zunehmend. Durch die Schaffung künstlicher Seen für Erholungszwecke könnte der Nutzungsdruck auf die natürlichen Seen reduziert werden, wodurch wertvolle Naturschutzgebiete entlastet und besser geschützt werden könnten. Die künstlichen Seen schaffen so eine Balance zwischen menschlicher Nutzung und Naturschutz, die beiden Seiten zugutekommt. Der Erhalt natürlicher Seen als reine Naturräume unterstützt den langfristigen Schutz der Biodiversität und trägt zur ökologischen Stabilität bei.
Lokale Wirtschaft und nachhaltige Wertschöpfung
Absatzmöglichkeiten für regionale Produkte: Direkte Vermarktung durch Hofläden und Buvetten
Seen können nicht nur als Erholungs- und Begegnungsorte dienen, sondern auch die lokale Wirtschaft stärken, insbesondere die Landwirtschaft. An den Seen gelegene Hofläden und kleine Buvetten könnten landwirtschaftliche Produkte aus der Region direkt vermarkten. Dies schafft Absatzmöglichkeiten für lokale Produzenten, ohne die Notwendigkeit langer Lieferwege oder Zwischenhändler, was der lokalen Wertschöpfung zugutekommt. Die Besucher und Dorfbewohner hätten dadurch einfachen Zugang zu frischen, regionalen Produkten, und die Landwirte könnten durch direkte Verkäufe höhere Einnahmen erzielen.
Radwege und Hofläden entlang der Strecke: Förderung von Slow-Tourismus und naturnahen Freizeitangeboten. Ein Netzwerk von Seen, verbunden durch Rad- und Wanderwege, würde auch den Slow-Tourismus fördern und den Menschen naturnahe Erholung ermöglichen. Entlang dieser Wege könnten Hofläden, Bauernmärkte und regionale Anbieter ihre Produkte und Dienstleistungen anbieten, was die lokale Wirtschaft weiter ankurbelt. Durch den Zugang zu lokalen Produkten und die naturnahe Anbindung an die Gemeinden könnten Besucher die regionale Vielfalt direkt erleben und bewusster konsumieren. Dies stärkt nicht nur die Verbindung zwischen den Konsumenten und der Region, sondern reduziert auch die Abhängigkeit von weit entfernten Einkaufsmöglichkeiten und fördert die Resilienz der lokalen Wirtschaft.
Touristische Attraktivität und Übernachtungsmöglichkeiten: Ein Anziehungspunkt für nachhaltigen Tourismus. Die Seen könnten zudem zu einem Anziehungspunkt für nachhaltigen Tourismus werden. Übernachtungsmöglichkeiten wie Tiny Houses, Strohbetten und naturnahe Unterkünfte in der Nähe der Seen könnten Besuchern ein authentisches Naturerlebnis bieten und die Gemeinden als Reiseziele für Slow-Tourismus etablieren. Diese Angebote ziehen insbesondere Menschen an, die dem hektischen Alltag entfliehen möchten und eine bewusste, entschleunigte Art des Reisens bevorzugen. Dadurch entstünde nicht nur eine neue Einnahmequelle für die Gemeinden, sondern auch ein Modell für nachhaltigen Tourismus, der die Natur respektiert und die regionale Identität stärkt.
Vergleich: Autobahnausbau vs. Netzwerk aus künstlichen Seen
Kostenvergleich: 5 Milliarden CHF für Autobahnen vs. 1'000 Seen
Der geplante Ausbau des Autobahnnetzes wird mit rund 5 Milliarden CHF beziffert. Für dieselbe Summe könnten etwa 1'000 künstliche Seen gebaut werden, wobei jeder See durchschnittlich 5 Millionen CHF kosten würde. Während der Autobahnausbau darauf abzielt, den Verkehrsfluss zu verbessern, bietet das Seenprojekt weitreichendere Vorteile, indem es soziale, ökologische und wirtschaftliche Bedürfnisse miteinander verbindet. Die Investition in Seen würde der gesamten Bevölkerung zugutekommen und eine nachhaltige, zukunftsorientierte Alternative darstellen.
Flächenverbrauch: Autobahnausbau vs. Seen
Der Autobahnausbau beansprucht etwa 40 Hektar Kulturland, was im Verhältnis zur gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche (1'042'500 Hektar im Jahr 2019) vergleichsweise gering ist. Demgegenüber würde der Bau von 1'000 Seen etwa 2'000 Hektar Kulturland erfordern. Auf den ersten Blick erscheint dieser Flächenbedarf hoch, doch es ist wichtig, dies in den Kontext des jährlichen Rückgangs der landwirtschaftlichen Nutzfläche zu stellen.
In der Schweiz geht jedes Jahr etwa 1'400 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche durch Siedlungs- und Infrastrukturprojekte verloren. Der Bau der Seen würde somit dem durchschnittlichen Verlust von etwa 18 Monaten entsprechen. Dieser Zeitraum ist relativ kurz, wenn man die langfristigen, multifunktionalen Vorteile der Seen betrachtet, die nicht nur Erholungsräume schaffen, sondern auch ökologische und ökonomische Vorteile mit sich bringen.
"Jedem Dorf seinen See" - Referat von René Ziswiler an der Veranstaltung von Impuls Surental
Die Seen als Investition in eine zukunftsfähige Gesellschaft
Während der Autobahnausbau vor allem eine kurzfristige Erleichterung für Verkehrsprobleme bieten könnte, sind Seen eine langfristige Investition in die Gesellschaft, die sich auf viele Bereiche positiv auswirkt. Der Ausbau des Strassennetzes verschiebt die Mobilitätsprobleme in die Zukunft, während ein Netzwerk aus Seen die Lebensqualität, die Resilienz der lokalen Wirtschaft und den Schutz der Natur fördert. Die Investition in Seen wäre daher nicht nur eine Entscheidung für die Gegenwart, sondern auch eine Antwort auf die Herausforderungen von morgen, die eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft sichert.
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